Seit rund zwei Jahren ist Dilan Doganbey Stv. Leiterin der Abteilung Beiträge und verantwortet zusätzlich das Mitgliederregister. Was es bedeutet, Beiträge bei den Mitgliedern einzufordern und regelmässig nach neuen Kundinnen und Kunden Ausschau zu halten, erzählt die 31-Jährige im Interview.
Dilan Doganbey, mit welchen Beiträgen beschäftigen Sie sich in Ihrer Abteilung?
Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Beiträgen der AHV, IV und EO sowie der Familienausgleichskasse und auch mit Arbeitslosenbeiträgen. Wir sind also so zusagen die Buchhaltungsstelle des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), fordern die Beiträge bei unseren Mitgliedern ein und leiten die Beiträge an die Zentrale Ausgleichsstelle ZAS weiter. Daneben rechnen wir Verwaltungskosten ab, die sich nach der gemeldeten Lohnsumme der Unternehmen richtet. Denn mit diesen Kosten finanzieren wir uns als Ausgleichskasse, d. h. wir zahlen damit die Löhne unserer Mitarbeitenden, die Mieten unserer Büros etc.
Sie sind auch für das Mitgliederregister verantwortlich. Welche Mitglieder sind bei der AK71 angeschlossen? Und wie kommen Sie an neue Mitglieder?
In der Schweiz gibt es drei Arten von Ausgleichskassen. Die eidgenössische Ausgleichskasse EAK, wo alle Bundesbetriebe und grosse bundesnahe Betriebe wie z. B. die Post oder die SBB angeschlossen sind. Dann gibt es in jedem Kanton eine kantonale Ausgleichskasse. Und wir als Verbandsausgleichskasse sind die Ausgleichskasse von rund 30 Verbänden, die alle Mitglieder unseres Dachverbands Handel Schweiz sind. Alle Mitglieder unserer Verbände haben die Möglichkeit, sich bei unserer Ausgleichskasse anzuschliessen und damit von allen Dienstleistungen unserer Sozialwerke zu profitieren.
Wie kommen Sie an neue Mitglieder?
Ich habe einen sehr engen Austausch mit der verantwortlichen Mitarbeiterin für das Mitgliederregister von Handel Schweiz, sei es telefonisch oder per Mail. Mindestens einmal pro Jahr treffen wir uns auch persönlich. Wenn sie beispielsweise ein neues Mitglied aufgenommen haben, melden sie uns das und wir nehmen bezüglich Sozialversicherungen mit den verantwortlichen Personen Kontakt auf. Zudem fordern wir einmal pro Jahr eine Mitgliederliste von allen Verbänden an, die unter anderem bei Handel Schweiz angeschlossen sind. Danach gleichen wir diese Liste mit unserer Mitgliederliste ab und gehen potenzielle neue Kunden aktiv an.
Was bedeutet das «Flugjahr» genau?
Ein Unternehmen, das Mitglied in zwei verschiedenen Verbänden ist, von denen jeder über eine eigene Ausgleichskasse verfügt, kann seine Verbandsausgleichskasse nur alle fünf Jahre wechseln. Das nächste Flugjahr ist beispielsweise im Jahr 2026. Sollte ein Mitglied aus einem Verband austreten und nur noch in einem Verband Mitglied sein, kann jederzeit gewechselt werden.
Ab welchem Zeitpunkt können sich Firmen bei der AK71 anschliessen oder zur AK71 wechseln?
Das ist je nach Ausgangslage unterschiedlich. Wenn beispielsweise eine Firma neu gegründet wurde und sie direkt im Verband Handel Schweiz Mitglied wird, können wir diese Firma sofort aufnehmen. Daneben gibt es beispielsweise die Situation, dass eine Firma ihren Sitz von einem Kanton in einen anderen verlegt. Wenn diese Firma bereits Mitglied von Handel Schweiz ist und vorher bei der Ausgleichskasse ihres Kantons angeschlossen war, kann sie sofort zur AK71 wechseln. Bei einem ganz normalen Wechsel ohne Mitgliedschaft bei mehreren Verbänden ist ein Neuanschluss jeweils auf den 1. Januar des Folgejahrs möglich. Ein Wechsel muss jedoch bis spätestens Ende August des Vorjahrs der neuen Ausgleichskasse mitgeteilt werden.
Welches sind aus Ihrer Sicht die Vorteile eines Anschlusses bei Ihrer Ausgleichskasse?
Der Vorteil für grosse Unternehmen mit Standorten in mehreren Kantonen liegt darin, dass wir als AK71 in allen 26 Kantonen vertreten sind. Dadurch können wir eine einheitliche, kantonsübergreifende Betreuung und Unterstützung der Familienausgleichskasse gewährleisten. So haben diese Unternehmen nur ein Ansprechpartner für alle Anliegen der Sozialversicherungen. Ein weiterer Vorteil sind die attraktiven Verwaltungskosten. Zu guter Letzt dürfen wir von Kundinnen und Kunden positive Rückmeldungen bezüglich Kommunikation und der raschen Bearbeitungszeit entgegennehmen. Bei uns können sich Kundinnen und Kunden direkt bei entsprechenden Mitarbeitenden melden, was die Kommunikation und die Reaktionszeit positiv beeinflusst. Die persönliche Beratung sowie der individuelle Kontakt zu unseren Mitgliedern sind für uns von zentraler Bedeutung.
Und welche Vorteile bringt die Onlineplattform connect?
Je mehr ein Mitglied via Onlineplattform connect selbst erledigt, desto höher ist der Anteil der Verwaltungskosten, die wir im Folgejahr zurückerstatten können. Durch die Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern über connect werden zahlreiche interne Prozesse bei der AK71 automatisch ausgelöst. Dadurch können wir unsere Kundinnen und Kunden schnell, effizient und serviceorientiert betreuen.
Ab welcher Lohnsumme müssen berufstätige Personen Beiträge bezahlen?
Berufstätige Personen müssen ab einem Bruttolohn von 2'500 Franken Beiträge in die 1. Säule einzahlen, also Beiträge an die AHV, IV, EO und ALV. Auf Verlangen können auch Beiträge auf tieferen Löhnen (geringfügige Löhne) bezahlt werden. Dann gibt es noch ein paar Ausnahmen im künstlerischen Bereich, in Privathaushalten oder bei Reinigungsfirmen. Denn hier werden ab dem ersten Franken Beiträge verrechnet.
Welche Beiträge müssen Nichterwerbstätige und Selbstständigerwerbende bezahlen?
Auch sie müssen AHV-, IV- und EO-Beiträge bezahlen sowie Beiträge an die Familienausgleichskasse entrichten. Als angestellte Person einer Firma bezahlt der Arbeitgeber die Beiträge an die Familienausgleichskasse und ebenfalls die Verwaltungskosten. Nichterwerbstätige und Selbstständigerwerbende müssen diese Beiträge selbst bezahlen – und vor allem eigenständig anmelden.
Wie können Arbeitnehmende kontrollieren, ob ihr Arbeitgeber die AHV-Beiträge regelmässig bezahlt?
Arbeitnehmende können das jederzeit kontrollieren, indem sie sich einen Auszug aus dem individuellen Konto (IK) bestellen. Diesen können sie kostenlos bei einer beliebigen Ausgleichskasse anfordern. Es wird empfohlen, einen IK-Auszug regelmässig zu bestellen, damit kontrolliert werden kann, ob alle Einkommen durch den Arbeitgeber gemeldet und von der Ausgleichskasse korrekt verbucht wurden.
Ergeben sich für Arbeitnehmende Nachteile, wenn die Ausgleichskasse die Beiträge bei dessen Arbeitgeber nicht einholen kann?
Grundsätzlich kann es sein, dass auf dem IK des Versicherten eine Beitragslücke entsteht. Dies würde im schlimmsten Fall eine tiefere AHV-Rente zur Folge haben. Rückwirkend gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. D. h. dass innerhalb von fünf Jahren alle Beiträge noch geltend gemacht werden können. Anders sieht es allerdings bei Beiträgen aus, die der Arbeitgeber den Mitarbeitenden vom Lohn abgezogen, jedoch nicht an die AHV überwiesen hat. Wenn Mitarbeitende mit Lohnausweisen, Bankauszügen oder Lohnabrechnungen beweisen können, dass ihnen die Beiträge belastet wurden, werden ihnen die Beiträge auf ihrem IK gutgeschrieben – egal wie lange diese fehlenden Zahlungen zurückliegen. Fazit: Beiträge bei Arbeitnehmenden einfordern kann die Ausgleichskasse bis zu fünf Jahre rückwirkend. Versäumte Zahlungen von Arbeitgebenden, die von Arbeitnehmenden belegt werden können, kennen keine Verjährungsfrist und können jederzeit gutgeschrieben werden.
Was passiert, wenn Arbeitgebende ihrer Beitragspflicht nicht nachkommen?
Wenn Arbeitgebende ihrer Beitragspflicht nicht nachkommen, machen sie sich strafbar, was rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben wird. Wir führen bei unseren Mitgliedern regelmässig AHV-Revisionen durch, um sicherzustellen, dass alle Beiträge korrekt abgerechnet und verbucht wurden. In Fällen von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit ausstehenden AHV-Beiträgen besteht die Möglichkeit, ein Schadenersatzverfahren gegen die verantwortlichen Mitglieder des Verwaltungsrats einzuleiten.
Muss ein Arbeitgeber auch Beiträge auf ausserordentliche Leistungen wie z. B. einen Weihnachtsbonus bezahlen?
Grundsätzlich ja, denn ausserordentliche Leistungen wie Gratifikationen oder Weihnachtsboni sind beitragspflichtig. Aber auch hier gibt es Ausnahmen wie z. B. spezielle Vergütungen, die im Spesenreglement geregelt sind oder teilweise die Abgabe von Gutscheinen. Aber auch hier gibt es Regeln und Limiten, weshalb Arbeitgebende jeweils frühzeitig prüfen sollten, ob Beiträge bezahlt werden müssen oder nicht.
Wenn jemand auf Weltreise geht und mehrere Jahre nicht arbeitet und auch nicht in der Schweiz wohnt, jedoch hier angemeldet bleibt: Muss diese Person Beiträge bezahlen?
Ja, das muss sie. Solange eine Person in der Schweiz angemeldet bleibt und einen festen Wohnsitz oder eine Co-Adresse hat, muss er oder sie Nichterwerbstätigenbeiträge bezahlen. Personen müssen sich selbstständig bei der Ausgleichskasse melden und die Beiträge selbst bezahlen. Sobald sich eine Person in der Schweiz ganz abmeldet und hier auch nicht mehr arbeitet, erlischt die Beitragspflicht. Denn der AHV unterstellt sind alle Personen, die entweder in der Schweiz arbeiten und/oder hier den dauerhaften Wohnsitz haben.
Müssen Studierende Beiträge an die AHV, IV und EO bezahlen?
Ja, das müssen sie tatsächlich, und zwar ab dem Jahr, in welchem sie das 18. Altersjahr erreichen, sofern sie erwerbstätig sind. Bei Studierenden unterscheidet man nämlich zwischen erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Personen. Denn nichterwerbstätige Studierende sind erst ab dem 1. Januar nach ihrem 20. Geburtstag beitragspflichtig.
Was passiert, wenn jemand einige Jahre keine Beiträge bezahlt? Kann er oder sie nachzahlen?
Wie gesagt gibt es die Verjährungsfrist von fünf Jahren. Das heisst, dass grundsätzlich fünf Jahre Beiträge rückwirkend bezahlt werden können. Dies aber auch nur, wenn die Person aktuell noch in der Schweiz arbeitet oder ihren Wohnsitz in der Schweiz hat. Bei verheirateten Personen ist der nichterwerbstätige Partner durch den erwerbstätigen Partner abgedeckt. Zu guter Letzt gibt es allenfalls noch die Jugendjahre zwischen dem 18. und dem 20. Altersjahr, die zur Schliessung allfälliger Lücken in den Beitragsjahren genutzt werden können.
Interview: Conny König
Persönliches über Dilan Doganbey
Dilan Doganbey ist am 1. März 2019 als Kundenberaterin zum Team Beiträge bei der AK71 gestossen. Zuvor arbeitete sie bei der Ausgleichskasse Basel-Stadt, wo sie auch die KV-Lehre absolvierte. Seit zwei Jahren ist Dilan Doganbey die stellvertretende Leiterin der Abteilung Beiträge und ist hauptverantwortlich für das Mitgliederregister. Der Austausch mit den Mitgliedern macht ihr besonders viel Spass – vor allem auch die Treffen vor Ort bei Kundinnen und Kunden. Die 31-Jährige hat sich kurz nach dem Lehrabschluss zur eidg. dipl. Sozialversicherungsfachfrau weitergebildet. Dilan Doganbey ist in Basel aufgewachsen und wohnt heute in Allschwil. Sie ist sehr gerne mit Freunden unterwegs und liebt es zu reisen.
